Hamut I Ulrike Warmuth

Hamut

… und du schläfst mein Erinnern davon wie Windsamen – trägt dich mein Atem bis hinter die Lilien?

Deine braune Musik im Gemäuer schreibt mir ein Gebet zwischen die Schultern, du hältst zu Engeln Kontakt und du bindest mich -nabelschnurähnlich- an dich.

Und doch: meine Federkanten schneiden ins Fleisch, die Niederschrift unserer Worte erscheint auf den Handflächen einer Begrüßung, Sanftung – zwischen den Fingern tropft es dunkelrot über die Schneide meines Flügelpaars.

… und du wachst über mein Vergessen als wäre es dir etwas heiliges, als könntest du aus dem Nichts, das mich ausmacht, auftauchen, aus einem Strom, einem Quell klaren Wassers, ohne die Geschichte, die wie Ringe um meine Augen geschrieben steht, ohne die Jahre, die uns verbinden. Auftauchen aus Wellen, Fluten, aus dem Geschrei meiner Verzweiflung, aus meinem Schweigen heraus, und aus der Unlust der Engel, da noch tiefer zu dringen.

Unser Delta ist Brunnen, mein Freund, ein kreisrunder Brunnen aus Stein, den wir erschöpfen und an den Mohn sich lehnt in genau demselben Rotton wie wir vom Sterben ihn kennen, diesmal ins Leben gewachsen, und du erzählst mir von Liebe und mit blassen Fingern stecke ich dir den Schlafmohn zwischen die Wirbel deiner Säulen: Rücken und Gott.

Dann fliegen wir los.

In die Rundung hinein, in den Ort des Verströmens, der Zeit, der Angst und der ewigen Hoffnung: die Federn um uns mögen bald Gänsehaut-Spuren hinterlassen statt Kratzer. Und wie Blinde lesen wir dann, was der Andere schreibt mit seiner Berührung auf Hände, Schultern, ins Gesicht.

… und nun schlaf du mein Erinnern daran, wie Wind Samen trägt, bis in die Sonne hinein, bis in den Atem, die Ruach, durch die dunkelbraunsten Töne, durch deine Musik hindurch, bis hinter den Mohn und bis hinter die Lilien.