Bag Piece – Hommage à Yoko Ono

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Bag Piece I Version by Marlen Wagner
1. August 2025, 13:20, Gropius Bau Berlin/Germany

Yoko Ono sagte zu „Bag Piece“ (1964), das sie während des Perpetual Fluxfestes in Cinematheque, New York, am 27 Juni 1965 performte: „When I did the Bag Piece, we go in the bag, and we’re very different.“

Und als die Kuratoren der Ausstellung „Music of the mind“, ihrer großen Einzelausstellung im Berliner Gropius Bau/Deutschland, es Besuchern ermöglichen, die Einladung der Konzept- und Performance-Künstlerin anzunehmen und „Bag Piece“ in einer eigenen Performance zu aktualisieren, nehme ich diese Einladung an. Ich frage mich, ob auch ich sehr verschieden sein werde. Von was, von wem, wie? Ich bin gespannt, wie es sein wird, mit dem Konzept einer anderen zu arbeiten.  Und ich bin neugierig darauf, welche Erfahrungen mich in diesem Sack erwarten.

Die Welt kann ich, anders als Yoko Ono, durch den schwarzen Stoff nicht sehen. Er ist so dicht gewebt, dass zwar das Licht durch ihn scheint, ich aber den Raum mit seinen Exponaten und den Besuchern nicht sehen kann. Aber ich stimme ihr zu – es gibt nun einen großen Unterschied zwischen der Welt und mir: In einem schwarzen Sack zu stecken, verändert meinen Bezug zur Umwelt vollständig. Nichts von mir, nicht mein Gesicht, nicht mein Körper, ist sichtbar für die Zuschauer. Sie wissen nicht, welchen Geschlechts ich bin, welche Hautfarbe ich habe. Sie folgen den Bewegungen eines Menschen, der sich bewegt zu Klängen, Wörtern, Bildern, die nur er sieht und hört.

Innerhalb von Sekunden vergesse ich diese meine Gedanken, denn diese dünne Schicht Stoff isoliert mich von meiner Umgebung, verweist mich auf mich selbst, lässt mich inmitten eines Raums voller Menschen allein sein. Ich schließe die Augen, bin ganz Körper, der sich bewegt. Doch in meiner Bewegung bin ich auch eine Gefangene dieses Sacks, der mich hemmt, meinen Radius einschränkt. Der staubige Stoff liegt mit jedem Atemzug schwerer auf Schultern und Armen. Doch dann gewinnen meine Bewegungen ein Eigenleben und ich bemerke am Rande meiner Aufmerksamkeit, dass es Qigong-Übungen sind, die ich praktiziere. Ihr langsames Fließen, die sie begleitenden Atemübungen besänftigen meine aufkeimende Panik im Gefängnis des Sackes.

Ich fange an, zu improvisieren, Staub, Enge, Geruch und keine Außensicht sind noch immer da, doch ich spiele mit ihnen. Genau so, wie ich, Yoko Onos Konzept aufgreifend, mit ihm spiele. Performativ aktualisiere ich ihr Konzept, führe es zu einer neuen Version: „Black Bag“ by Marlen Wagner.

Als ich meine Performance beende und die weiße Fläche verlasse denke ich: Gleichzeitig die Katze im Sack und die Käuferin dieses Sackes zu sein, ist eine schwer zu haltende Position. Als Katze im Sack erlebe ich die Gewalt, die von einem Stück schwarzen Stoffes für mich ausgeht, die temporäre Gefangenschaft – aber auch die Freiheit der vollkommenen Anonymität. Als Käuferin des Sacks bin ich die, die zögernd am Rand der weißen Matte steht und sich dann doch auf etwas Unbekanntes einlässt, ohne die Risiken zu kennen. Und ohne den Inhalt des Sacks zu kennen, denn noch bin ich ja außerhalb seiner, noch nicht die Katze im Inneren.

In einem schwarzen Sack auf einer weißen Fläche zu stehen, mich zu bewegen in einem Museumsraum voller Menschen hat mich nicht verändert, aber es ist eine Erfahrung, die ich gemacht habe.

Marlen Wagner 

White Chess Set I Hommage à Yoko Ono I Version by Robert Krokowski